„AfD-Ficken“: Die Performance von Knife Knightbusch & Lores versteigert im Acker Stadt Palast einen rechten Redner zum Frustabbau ans Publikum. |
Von David Meiering |
Unruhe im Oberrang, letzter Zugriff: 13.02.17 |
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Kopulation als Konfliktlösung – so wie die Bonobo-Affen soziale Spannungen im Sex entladen, möchten Knife Knightbusch & Lores dem Publikum einen AfD-Redner zum eigenen Frustabbau in einer öffentlichen Auktion anbieten. Die Performance „AfD-Ficken“ eröffnet damit die Reihe behaupten.wagen, die Diskurse zur aktuellen Politik anzetteln will. Auch durch provokante Inszenierungen: Denn wer den Zuschlag erhält, darf auf der Bühne mit dem AfDler alles anstellen; Startgebot: 10 Euro. Ist das Ernst gemeint? Wird überhaupt jemand mitbieten? Und was wird dem Schauspieler am Ende angetan? Bevor die Auktion startet, betritt der zu Gebote stehende PR-Berater der AfD Brandenburg, Enrico Bordach (gespielt von René Ritterbusch), im Anzug die beinahe leere Bühne. Nur ein Notenständer dient ihm als Ablage für seine Rede, in der er die Positionen der Partei darstellt. Nicht bissig wie Frauke Petry oder hetzerisch wie Björn Höcke, sondern sanft und mit gesenkter Stimme wirbt er für Verständnis mit der neurechten Wählerschaft. Der gesamte erste Teil der minimalistischen Performance ist ganz auf die Ausführungen des AfDlers fokussiert. Er beginnt mit seiner Herkunft: der DDR. Diese habe zwar ihre Bürger*innen psychologisch konditioniert, aber das habe auch positive Seiten. Indem die Menschen Verantwortung für Erfolglosigkeit an den Staat delegieren konnten, schützten sie sich vor Selbstzweifeln und den dadurch ausgelösten Neurosen. Jetzt sei aber jeder selbst für sich verantwortlich, die Schuld für die eigene Misere kann man nicht mehr von sich weisen. Die Gefühlswelt des Ostdeutschen, der kaum Anlagen zur Marktwirtschaft in sich trage, sei nun vor allem von Minderwertigkeitskomplexen geprägt. Die Neurosen brechen sich Bahn. Was bleibt dem von der Leistungsgesellschaft Abgehängten übrig? Der Hass. Das Nationalgefühl. Ein „Stahlgewitter im Inneren“. Bordach inszeniert die AfD als Erben des paternalistischen Staatssozialismus; eine soziale Partei, die sich um die Menschen kümmert und sorgt – wer könnte dagegen etwas einwenden? Nicht die AfD-Politiker*innen seien undemokratisch, sondern ihre Kritiker*innen, die als „Systemparteien“ in Zusammenarbeit mit der „Systempresse“ keinen politischen Gegner tolerierten. Nicht die AfD-Anhänger übten Gewalt, sondern die Antifa, die Hoteliers und Wirte so einschüchtere, dass die AfD Schwierigkeiten habe, Räume für ihre Wahlveranstaltungen zu finden. Nicht die Neurechten seien rassistisch, sondern die etablierten Parteien, die Politik gegen das eigene Volk betrieben. Der Vortrag ist eine gelungene Collage aus dem Werkzeugkasten populistischer Rhetorik und hätte so auch auf einer AfD-Veranstaltung gehalten werden können. Er enttarnt in dieser verdichteten Form die sprachlichen Strategien der Rechten: Die Kümmer- und Sorge-Maske, die Bordach der Partei überstreift, ermöglicht die Selbstdarstellung als Opfer. All das ist aber so bekannt, dass die ganze Rede kaum eine Publikumsreaktion provoziert – bis auf ein Raunen, als Bordach die Antifa mit der SA vergleicht: Aufgehetzt von den „Systemparteien“, sei die Antifa eine Art linker SA, die den Aufstieg der Nationalsozialisten durch gewaltsame Übergriffe auf politische Gegner begleitete. Etwas ertappt ob der eigenen Reaktionslosigkeit fühlt man sich daher, wenn Bordach das Publikum für sich zu vereinnahmen sucht: „Besonders froh bin ich, dass hier bisher alles ruhig geblieben ist und wir zusammen die demokratische Grundordnung verteidigen.“ Tatsächlich bleibt die Rede eher gemäßigt, gemessen am Spektrum, das AfD-Veranstaltungen von Alexander Gauland über Beatrix von Storch bis hin zu Björn Höcke sonst bieten. Für die Emanzipation der Frau, aber gegen Gender-Mainstreaming; für Einwanderung, aber gegen unkontrollierte Masseneinwanderung. Das sanfte Mondgesicht maskiert die rassistische Fratze, die sich zuletzt auf dem AfD-Programmparteitag offenbart hat. Es gelingt daher nicht wirklich, die sozialen Spannungen, die in Deutschland, aber auch in ganz Europa gegenwärtig anschwellen, in den Acker Stadt Palast zu tragen. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum der zweite Teil der Performance nicht so recht funktioniert. Am Ende der Rede lässt Bordach Hose und Unterhose fallen und beugt sich über einen Stuhl. Ein Auktionär erläutert die Regeln der Versteigerung, während Bordach dem Publikum seinen nackten Hintern entgegenstreckt: ja, das Geld muss man wirklich zahlen; ja, Hilfsmittel sind erlaubt; der Erlös kommt der AfD als Parteispende zu. Das Licht geht an auf der Zuschauertribüne, niemand ist wirklich angespannt, erzürnt, oder schockiert. Aus dem eher betretenen Schweigen löst sich nach einiger Zeit doch noch das Startgebot von 10€, nach weiterer Stille überbietet ein anderer Gast und es entwickelt sich ein eher humoristisches Wettbieten zwischen zwei Männern aus dem Publikum. 150€ muss einer schließlich aufbringen, um mit dem Schauspieler alles machen zu können, was er will. Und was will er? Dass dieser die Hosen wieder anzieht und die Rede noch einmal hält. Spätestens an dieser Stelle ist die Verwirrung maximal. Der grundlegende Gedanke der Vorstellung ist dadurch nicht umgesetzt. Dabei ist die Prämisse der Performance nicht so weit hergeholt: dass soziale Spannungen durch reinigende Akte der Katharsis abgebaut werden können. Das Stück aber adressiert die Falschen. Warum sollte das anwesende Publikum seinen Frust über die AfD an einem devoten PR-Berater auslassen? Vor allem, wenn der Erlös der Auktion an die AfD selbst geht? Der Rede von Bordach zufolge sind es ja die AfDler und Pegidisten, die ihren Frust auf Fackelmärschen, Montags-Demos und Wahlzetteln abbauen. Man müsste die Performance stattdessen in der Fußgängerzone der Dresdner Innenstadt spielen, ähnlich wie Schlingensiefs Abschiebecontainer-Aktion in der Mitte Wiens. So missglückt leider die Provokation, die die Reihe behaupten.wagen mit dieser Auftaktveranstaltung auslösen wollte. |