globe-M: „Theater ist, wenn es weh tut“, so der Slogan eurer Theaterkommune „Girl to Guerilla“. Was ist eure Intention, was soll weh tun und warum?
Knife Knightbusch: Wir haben uns erst vor kurzem gegründet. Der Wunsch gemeinsam Theater zu machen, hat uns als Gruppe zusammen gebracht. Dennoch gibt es ganz unterschiedliche Ansichten über die Form dessen, was wir auf die Bühne bringen möchten. Heute spricht man häufig vom postdramatischen Theater, dass keine Emotionen erzeugt, und selbst Brecht predigte schon: „Glotzt nicht so romantisch!“ Uns aber ist ein Theater wichtig, das heftige Emotionen vermittelt, das extrem traurig, aber auch extrem witzig ist. Vielleicht könnte man darin die Begründung für unseren Slogan sehen. Oder aber in dem Bedürfnis, mit gängigen Sehgewohnheiten zu brechen, denn auch das kann mitunter weh tun.
globe-M: Warum sind Off-Theater Stücke wichtig neben den großen Häusern?
Knife Knightbusch: Ich persönlich liebe die Berliner Theaterkultur sehr, und das tue ich gerade, weil es diese große Vielfalt gibt. Neben den großen Häusern, an denen phantastische Künstler arbeiten, gibt es hier die vielen kleinen Theater, die einen Raum schaffen für den intellektuellen und künstlerischen Nachwuchs der Stadt. Das finde ich großartig! Natürlich ist die Qualität sehr unterschiedlich, aber gerade das Theater mit semiprofessionellen Darstellern hat für mich einen großen Reiz, da wird häufig ein ganz anderes Gefühl mit herein gebracht.
globe-M: Welche Bedeutung hat das Treptopolis als Aufführungsort?
Knife Knightbusch: Das Treptopolis gibt es noch nicht lange. Gegründet wurde es von Künstlern des Tacheles, die nach neuem Raum und einer neuen Umgebung für ihre Projekte suchten. Dort wird natürlich viel im Bereich der Bildenden Kunst gemacht, aber auch das Theater soll einen festen Platz im Programm haben und wir freuen uns sehr, dort spielen zu können. In Treptow selbst gibt es keine vergleichbare Einrichtung, aber die Menschen, die dort wohnen, haben ein großes kulturelles Interesse. Das wird sicher noch spannend.
globe-M: „FLEISCH SUCHT SEELE“ feiert heute Premiere, die Stückbeschreibung auf euer Website klingt sehr philosophisch. Worum geht es im Kern?
Knife Knightbusch: Ganz vereinfacht könnte man sagen, es geht um die Beziehung eines Paares, dass über die Jahre verlernt hat, miteinander zu sprechen. Durch die konstruierten Umstände werden sie gezwungen, sich mit sich selbst zu befassen und das führt zur Eskalation. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Situationen, die vielen Paaren nicht fremd sind, denn im Kern geht es doch um ein Problem, dass unserer Spezies quasi in die Wiege gelegt wurde: Die Differenz zwischen den körperlichen, animalischen Bedürfnissen und den uns anerzogenen, gesellschaftlichen Normen, die uns vor Schwierigkeiten stellt. Was passiert mit einem angeblich ganz rationalen Menschen, wenn er die Kontrolle über seine fleischlichen Gelüste und ureigenen Bedürfnisse verliert? So erklärt sich auch der Titel der Inszenierung „FLEISCH SUCHT SEELE“.
globe-M: Was macht „FLEISCH SUCHT SEELE“ zu einem besonderen Zuschauererlebnis?
Knife Knightbusch: Neben der hervorragenden Textvorlage von Kike Fenz, glaube ich, dass es die Art der Inszenierung ist, die einen besonderen Blick verschafft. Wir versuchen eine Alltagssituation auf die Bühne zu bringen, bei der der Zuschauer in die Rolle eines Voyeurs tritt. Eine gewisse Lust an vermeintlicher Intimität und dem Leid anderer Menschen entsteht dabei. Im Verlaufe des Abends wird das Dargestellte aber auch zu einem Spiegel für den Zuschauer.
globe-M: Wie kamt ihr auf die Idee dieses Stück zu spielen? Wolltet ihr etwas zum Thema Liebe machen?
Knife Knightbusch: Ich weiß nicht. Geht es tatsächlich um Liebe? Ich denke, was die Autorin und Hauptdarstellerin Kike Fenz bewegt, ist nicht die Liebe, denn die Liebe ist zweifellos etwas unglaublich Schönes. Das Kranke und Triebhafte einer Liebesbeziehung ist mehr unser Thema und das entsteht, wenn wir zu sehr an einer Illusion festhalten, die wir von einem geliebten Menschen haben. Mit dem Verlieben entsteht zwangsläufig eine gewisse Idealvorstellung des Partners, die dem Alltag nicht gewachsen ist. Wie gehen wir damit um? Für mich als Regisseur war es eine Herzensangelegenheit, das Stück zu inszenieren, nicht nur weil ich mit Kike gut befreundet bin. Wir haben viel über dieses Thema diskutiert, wobei ähnliche, aber auch ganz unterschiedliche Ansichten zum Vorschein kamen. Diese Vorstellungen versuchten wir dann auf die Bühne zu bringen.
globe-M: Vielen Dank für das Gespräch.
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