Das unternehmerische Selbst
GlobexX Art Foundation I Imagefilm
Immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens werden privatisiert bzw. verwirtschaftlicht. Auch die Gesundheitsversorgung, Bildung, Kunst und Kultur werden zu Märkten – und damit ihrer eigentlichen gesellschaftlichen Bedeutung beraubt. Um diesen Missstand zu thematisieren, suchte das Theaterkollektiv Girl to Guerilla nach einem neuen Bedeutungsraum und entwickelte die Form des Emersiven Theaters, einer explosiven Mischung aus Realismus und Dekonstruktion, bei der die Realität zur Bühne wird und Zuschauende, TheatermitarbeiterInnen, JournalistInnen, PolitikerInnen etc. zu Akteuren werden. Es wurde ein Unternehmen namens GlobexX Europe erfunden, ein vermeintlicher Global Player auf dem Finanzmarkt, der eine Stiftung zur Kulturförderung, die GlobexX Art Foundation, nach Osnabrück schickte, um hier Investitionspotenziale abzustecken und zu vereinnahmen.
Um GlobexX glaubhaft entstehen zu lassen, befasste sich das Kollektiv Girl to Guerilla zuerst mit der Internetpräsenz, designte eine Website mit erdachten Informationen und Finanzprodukten und hinterließ Spuren auf einschlägigen Portalen. In Osnabrück etablierte man sich als GlobexX Art Foundation, indem dem Theater Osnabrück auf der Pressekonferenz zu Eröffnung des Festivals Spieltriebe 6 einen falschen Spendenscheck in Höhe von 30.000 € übergeben wurde. Für eine andauernde Kooperation wurden weitere Spenden in Aussicht gestellt. Vor und während des Festivals agierten die PerformerInnen in Nadelstreifen und in hohem Maße übergriffig in und um das Theater. Sie warben für Ihre Sache, die Neoliberalisierung des Kulturbetriebes, und veranstalteten beispielsweise Podiumsgespräche, bei denen sie u.a. ein weitreichendes Gentrifizierungskonzept für Osnabrück skizzierten. In Ihren Rollen traten die PerformerInnen LokalpolitikerInnen, JournalistInnen und ansässigen KünstlerInnen gegenüber, um einen Eindruck dafür zu vermitteln, was passieren kann, wenn umtriebige Wirtschaftsinteressen auf den Kunstbetrieb stoßen. In einem großen Finale am letzten Tag des Festivals dekonstruierte Girl to Guerilla ihre eigene Performance und ließ GlobexX im Chaos versinken. Die etablierten Narrative liefen ins Nichts und ließen Fragen im Publikum zurück, die noch Wochen später in der Lokalpresse Thema waren.
Wir möchten besonders betonen, dass es GlobexX zwar nicht wirklich gibt, aber wir alle täglich bewusst oder unbewusst mit Unternehmen zu tun haben, die wie GlobexX funktionieren und die an vielen verschiedenen Fronten an der Gentrifizierung und damit der Aushölung unserer Gesellschaft arbeiten.
Girl to Guerilla möchte dem Theater Osnabrück und seinen ZuschauerInnen für die Möglichkeit, dieses Experiment zu wagen, danken. Besonderer Dank gilt der Festivalleitung Maria Schneider, Anna Werner und Ralf Waldschmidt, sowie dem kaufmännischen Direktor Matthias Köhn.
Genre | Emersive Theater-Performance |
Inszenierung | Kollektiv |
Dauer | 27h |
Premiere | 11.-13.09.15 // Theater Osnabrück, Spieltriebe Festival |
Presse | Stadtblatt Osnabrück – Interview
Neue Osnabrücker Zeitung – Podiumsdiskussion Neue Osnabrücker Zeitung – Auflösung |
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