GlobexX Youth 2.0

Hedonismus als trojanisches Pferd des Neoliberalismus

von G.A. Beckmann

Ursprünglich als Kampfmittel gegen Biedermeierlichkeit und faschistische Altlasten in Anschlag gebracht, hat sich der Hedonismus heute zu seinem entpolitisierten Bruder, dem Konsumerismus gewandelt. Er dient und festigt damit jene Kräfte, die er zu überwinden trachtete. Die extatische Masse im Club bewegt sich zur Fortführung der Gleichschaltung durch Propaganda mit anderen Mitteln, dem House, Marschmusik der marktlibertären Wehrsportgruppen. Die dadurch hervorgerufenen Extaseenergien, bzw. Einübung der Unterwerfung des Individualkörpers unter die Idee einer Performance/eines Unternehmens/eines Projekts dienen der Verknüpfung von Leistungssteigerung mit positivem körperlichen Feedback. Im Takt marschieren die Maschinenmenschen und verteilen im Socialising-Rausch links und rechts ihre gesichtslosen Visitenkärtchen. Die Idee der Internationalen ist zu einer internationalen Ausbeutungsgemeinschaft nach Vorbild der attischen Zwei-Klassen-Demokratie geworden. Es gibt die – klassisch durch Räuberei und Täuschung zu Geld (und damit Macht) gekommenen – Besitzenden und auf der anderen Seite: Prekarisierte Niedriglohnsektionisten, die die Unzureichenheit und vielfach potentierte Entfremdung des neoliberalen Seins durch Rauscherfahrungen und eine erhöhte Besitzsucht von vermeintlich modernen Dingen auszugleichen suchen – auch um den Nachbarn zu beweisen, dass man nicht zu den Verlierern gehört. BMW-Besitz, Open-Air-Festivals und Obdachlosigkeit müssen keine Widersprüche mehr sein. Das ganze Konstrukt wird bemäntelt durch das professionell freundliche Gesicht einer vermeintlich flachen (aber nicht aufgehobenen) Hierarchie mit Flippertisch im Büro. Das polizeiliche Wesen dieser Kontrollgesellschaft zeigt sich erst dann wieder offen, wenn die Freude über die designte Lockerheit des Umgangstons vom Individuum nicht im gewünschten Maße performt wird. Die Selbstausbeutung hat gefälligst freiwillig und lustvoll zu passieren.

GlobexX Youth ist ein Spin-Off der vielgerühmten Girl to Guerilla – Performance GlobexX – Das unternehmerische Selbst, die ihren Höhepunkt bislang auf dem Spieltriebe-Festival der Osnabrücker Bühnen fand. Dort hat sich das Theaterkollektiv als Teil der Firma GlobexX Art Foundation ausgegeben, die unter dem Vorwand der Talentförderung eine komplette neoliberale Umstrukturierung des Theaters und der Stadt Osnabrück anstrebte. Wesentliches Stilmittel dabei war die Immersion ins Festivalgeschehen durch realitäre Darstellung von Headhuntern, Ingenieuren, DJs, Städteplanern, Tourguides und Lobbyisten, die als Taskforce zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten versuchte auf das Geschehen vor Ort einzuwirken und das Geschehen immer weiter zu surrealisieren und eskalieren.

Im Kleinen wollen wir das für das Möhre-Festival wiederholen. In Zusammenarbeit mit der marktliberalen Partei P.D.F. wird die GlobexX Art Foundation mit einem Infostand und einer Meet & Greet-Fotowand auf dem Wilde Möhre Festival vertreten sein, um dort nach jungen, kreativen Köpfen Ausschau zu halten, die man durch das Versprechen auf Förderung und Vernetzung gefügig machen kann. Es werden Kondome und Red-Bull-Dosen verteilt. Auch wird – zwischen zwei Farnen – über die Idee des Neoliberalismus referiert und der Schulterschluss mit den jungen Machern von Morgen gesucht. Im Selbstverständnis der P.D.F. ist das Festival längst Besitz, Spekulationsmaterial und Werbetapete für die eigene Interessenspolitik geworden.

So kann diese Performance gewissermaßen als Kontrapunkt und dunkle Kehrseite des Festivals begriffen werden, aber auch durch die Schaffung eines (aller Ironie zum Trotze ernsthaften) politischen Kontextes dazu beitragen, den Konsumerismus wieder zu seinen hedonistisch-politischen Wurzeln zurückzuführen.

Performance Joannah Faust
G.A. Beckmann
Bühne Joannah Faust
G.A. Beckmann
Konzept Joannah Faust
G.A. Beckmann
Dauer 3d
Premiere 09.-12.08.19 @Wilde Möhre Festival

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